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Tulpen, Eine Symphonie von Form, Farbe und Duft


Gerhard Schmaus, Manfred Meier, Martin Gras*

Historisches

Die Tulpe (lat.: Tulipa sp.) aus der Familie der Liliengewächse (Liliaccae) zählt zu den ältesten Gartenblumen der Welt. Die Heimat der Wildformen der Gattung Tulipa (ca. 100 Wildarten) liegt in Zentralasien und umfasst die Steppengebiete vom Kaukasus über das nördliche Afghanistan bis ins westliche China. Frühe Hinweise auf diese Zwiebelpflanze als Wegbegleiter des Menschen fand man auf Seidengewändern aus einem 2000 Jahre alten chinesischen Fürstengrab. In der Türkei werden sie seit etwa 1000 n. Chr. als Zierpflanze kultiviert. Vor allem den Sultanen aus der Blütezeit des großen Osmanischen Reichs ist es jedoch zu verdanken, dass die Tulpe in der heutigen Zeit als ornamentale Pflanze einen hohen Stellenwert einnimmt. Man vermutet, dass es auch die Form der Blüten war, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Turban (aus dem Persischen: tulipan), der typischen Kopfbedeckungen der Muslime, die Herrscher des Osmanischen Reichs in ihren Bann gezogen hat. Die Ähnlichkeit mit dem Turban lässt sich z.B. bei Tulpen-Arten wie Tulipa praestans mit leicht geschraubter Anordnung der Blütenblätter recht gut erahnen. Die Zeit der Herrschaft von Sultan Suleiman dem Prächtigen (1520-1566) - die Glanzzeit des Osmanischen Reichs - wird in den Geschichtsbüchern zuweilen sogar als das „Osmanische Tulpenjahrhundert" bezeichnet. Wer den Topkapi-Palast in Istanbul, eines der berühmtesten Kulturdenkmäler dieser Epoche besucht, stellt bei genauer Betrachtung fest, dass die Tulpe ein wesentliches ornamentales Gestaltungselement war. Die Eltern jener Tulpen, die heute in den Gärten der westlichen Welt erblühen, gelangten vor etwa 400 Jahren nach Westeuropa. Der französische Diplomat Ogier Ghislain de Busbecq (1522-1592), der als Botschafter des römisch-deutschen Kaisers Ferdinand I. ins Osmanische Reich abgesandt wurde, brachte die ersten Tulpen als Geschenk von Suleiman dem Prächtigen nach Wien und übergab sie dem Wiener Hofbotaniker Carolus Clusius (1526-1609).
Zunächst wurden die Pflanzen im kaiserlichen Kräutergarten in Wien unter seiner Obhut kultiviert. Wegen religiöser Verfolgung siedelte Carolus Clusius nach Holland um, wo er zum Präfekt des neu gegründeten Hortus Botanicus der Universität Leiden ernannt wurde. Durch ihn gelangten im Jahr 1593 auch die ersten Tulpenzwiebeln nach Holland. Dies war die Geburtsstunde der holländischen Tulpenzucht, und von dort traten sie ihren Siegeszug als eine der weltweit beliebtesten Gartenpflanzen an.
Der Beginn der Tulpenzucht in Holland war jedoch eher von turbulenten Zeiten überschattet. Tulpenzwiebeln wurden gegen Anfang des 17. Jahrhunderts zum Symbol von Macht und Prestige und entwickelten sich zu einem Handelsobjekt von enormem Wert. Eine aus dem 17. Jahrhundert überlieferte Rechnung dokumentiert in eindrucksvoller, aber auch in sehr illustrativer Weise den Preis, der für den Erwerb einer einzigen, besonders begehrten Tulpenzwiebel entrichtet werden musste: „Zwei Wagenladungen Weizen, vier Wagenladungen Roggen, vier fette Ochsen, acht fette Schweine, zwölffette Schafe, zwei große Fässer Wein (ä ca. 240 1), vier Barrel Bier (engl. Maßeinheit.- 1 barrel = 163,6 l), zwei Butterfässer, l000 Pfund Käse, ein Hochzeitsbett mit Leinenbett zeug, eine komplette Kleidungsausstattung, ein Silberkrug und ein geeignet dimensionierter Wagen für den Abtransport aller Güter“.
Insgesamt entsprachen diese Waren zur damaligen Zeit dem Wert eines großen Hauses am Kanal in Amsterdam.
Der Tulpenwahn, der unter den Begriffen „Tulipmania" oder „Tulipomania" Eingang in die Geschichtsbücher fand, gipfelte darin, dass Tulpen bereits während der Anzucht, ja selbst geplante Tulpenkulturen der nächsten Jahre, zu Höchstpreisen veräußert wurden. Der Handel mit noch nicht existenten Tulpen, die bereits vor der Ernte mehrfach mit großem Gewinn weiterveräußert wurden, prägte damals den Begriff „Windhandel" (engl.„windtrade"). Besonders begehrt waren zur damaligen Zeit die so genannten geflammten Tulpen, die unter der Bezeichnung „Rembrandt-Tulpen" einen hohen Bekanntheitsgrad erlangten.
Die Bezeichnung „Rembrandt-Tulpen" geht zurück auf die Darstellung der geflammten Tulpen in berühmten Stillleben aus der auch als das „Goldene Jahrhundert" der holländischen Malerei bezeichneten Epoche. Kurioserweise sind jedoch keine Tulpenbilder von Rembrandt Harmensz van Rijn (1606-1669), dem eigentlichen Namensgeber der geflammten Tulpen bekannt.
Einige der berühmtesten Vertreter unter den Rembrandt-Tulpen sind Sorten wie „Semper Augustus", „Admirael de Ruyter" oder „Viseroij". Im Jahr 1624 wurde eine einzige „Semper Augustus"-Tulpenzwiebel zum Preis von 3.000 Gulden gehandelt. Nur kurze Zeit später stieg der Preis auf 4.500 Gulden.
Für „Viseroij", dargestellt im berühmten Tulpenbuch. von P. Cos, einem Haarlemer Floristen (1637), wurden Preise von 3.000 bzw. 4.200 Gulden angegeben. Die unterschiedlichen Preise errechneten sich aus dem Gewicht der jeweiligen Zwiebelqualität. Das Gewicht der Tulpen wurde damals in der Maßeinheit „aas"
angegeben, wobei 1 „aas" 0,08 g entsprach.
Erst in diesem Jahrhundert hat man herausgefunden, dass eine Virusinfektion (Mosaikvirus) für die abnorme Bildung der geflammten Blütenblätter verantwortlich ist. Die somit mehr oder weniger zufällig entstandenen Rembrandt-Tulpen haben jedoch heute keine Bedeutung mehr. Wegen der Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung der Erreger wurde deren Kultivierung in den Anbaugebieten zum Teil sogar verboten. An ihre Stelle traten neugezüchtete nicht virusinfizierte Sorten, deren Blüten den geflammten Blüten- blättern täuschend ähnlich sehen. Bekannte Neuzüchtungen, die die Rembrandt-Tulpen weitgehend ersetzt haben, sind z.B. die rot-weiß blühende Sorte „Union Jack" oder die lavendel und weiß blühende Sorte „Shirley".

Im Jahr 1637 überstürzten sich die Ereignisse, und der Tulpenmarkt brach innerhalb von zwei Monaten zusammen. Der damit verbundene Preissturz bei Tulpenzwiebeln führte zum Bankrott vieler wohlhabender Holländer. Über die genauen Ursachen des Phänomens „Tulipomania" wird in Ökonomieexperten-Kreisen auch heute noch eifrig diskutiert und spekuliert.


Tulpenproduktion heute

Der Preisverfall im Jahre 1637 konnte jedoch nicht verhindern, dass sich die Tulpenzucht in Holland im Verlauf der Jahrhunderte zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt hat. Zum einen war es sicherlich die Faszination der Holländer für diese Zwiebelpflanzen. Zum anderen war es natürlich ihr hohes Maß an pflanzenzüchterischer Fachkenntnis und der für die Zucht von Zwiebelpflanzen besonders gut geeignete sandige Boden. Aus neueren Produktionsstatistiken (1994/95) geht hervor, dass Holland trotz seiner verhältnismäßig geringen Flächenausdehnung von nur ca. 42.000 km2 heute ca. 65% der weltweit konsumierten Zierpflanzenzwiebeln kultiviert. Der Gesamtwert der Zwiebelproduktion, der ca.
3,5 % der holländischen Agrarproduktion ausmacht, beläuft sich auf ca. 75o Millionen US$ pro Jahr. Für den Anbau werden ca. 44.000 acres Ackerland benötigt. Etwa die Hälfte der Gesamtfläche wird für den Anbau von ca. 3 Milliarden Tulpenzwiebeln genutzt. Es existieren derzeit etwa 3.500 Tulpensorten, die in unterschiedlichem Umfang für den Weltmarkt angebaut werden. Neben Tulpen zählen Gladiolen, Lilien, Schwertlilien, Krokusse, Anemonen, Narzissen und Hyacinthen zu den Spitzenreitern der holländischen Zwiebelproduktion. Insgesamt produziert Holland heute jährlich etwa 9 Milliarden Pflanzenzwiebeln, von denen ca. 7 Milliarden für den Export in alle Teile der Welt bestimmt sind. Hauptkunden sind vor allem die USA, Japan und Deutschland.
Der großflächige Anbau von Tulpen ist nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Holland, sondern hat auch seinen besonderen ästhetischen Reiz (Abb.2). Reist man zur Blütezeit im Frühling in das holländische Zentrum der Tulpenzucht zwischen Amsterdam, Haarlem und Leiden, so wird man von einem in allen Farben schillernden Blütenmeer empfangen. Vor allem die Impressionisten wurden im letzten Jahrhundert von diesem einmaligen Farbenspiel in ihren Bann gezogen, wie Gemälde der berühmten Maler Vincent van Gogh (1853-1890) oder Claude Monet (1840-1926) eindrucksvoll belegen.


Tulpenduft

Bei der Entwicklung neuer Tulpensorten standen Farb- und Formschönheit sowie gute Wuchseigenschaft und Krankheitsresistenz im Vordergrund, wogegen dem Duft nur eine untergeordnete Rolle zukam. Viele der bei Gartenfreunden beliebten Darwin- oder Triumph-Tulpensorten haben daher keinen oder nur einen unscheinbaren, leicht erdigen Geruch, wogegen man die breite Palette an stark blumigen Gerüchen, wie sie z.B. bei Freesien oder Rosensorten anzutreffen ist, kaum findet. Etwa 400 Jahre nachdem Carolus Clusius die ersten Tulpen im Hortus Botanicus in Leiden gepflanzt hatte, reisten wir nach Holland, um herauszufinden, ob die damals nach Europa gebrachten Urformen der asiatischen Wildtulpen einen stärkeren Duft besitzen.
Im Hortus Botanicus der Universität Leiden und im Hortus Bulborum in Limmen stießen wir auf fruchtbaren Boden und fanden seltenere Zuchtformen sowie etliche Wildtulpenarten mit interessantem Duft, die dort mit viel Hingabe kultiviert werden.
Die wichtigste Aufgabe des Hortus Bulborum, einem botanischen Garten speziell für Tulpen, ist der Erhalt der genetischen Vielfalt der Gattung Tulipa.
Er hat daher nicht nur musealen Charakter, sondern ist ein integraler Bestandteil der modernen Tulpenzüchtung. In einigen der alten Rassen, die dort vor dem Aussterben bewahrt werden, sind nämlich Eigenschaften erhalten geblieben, die in den modernen Varietäten nicht mehr vorhanden sind. Durch klassische Kreuzungstechniken, aber auch durch den Einsatz modernster gentechnologischer Pflanzenzüchtungstechniken können die Resistenzen der alten Sorten bzw. der Wildarten gegenüber bestimmten Krankheiten in künftige Varietäten eingezüchtet werden. Dies kann für den Pflanzenzüchter von enormem wirtschaftlichen Vorteil sein. Darüber hinaus bieten weitere, in den alten Sorten enthaltene Eigenschaften wie besondere Blütenform, besonders frühe Blüte, bessere Haltbarkeit und natürlich auch die Rückkreuzung des zum Teil bei den neuen Sorten verloren gegangenen Duftes Möglichkeiten der Produkterneuerung und -verbesserung.
Die sensorische Evaluierung zeigte, dass Tulpen zweifelsohne nicht nur durch Form und Farbe brillieren, sondern dass sie zum Teil auch einen interessanten Geruch besitzen. Das Duftspektrum reichte von Freesien-, Orangenblüten-, Narzissen-, Immortelle-, Rosen- und Maiglöckchen-Akkorden bis hin zu schokoladigen, süß-honigartigen, buttrigen und lederartigen Aspekten. Daneben fanden wir auch Arten bzw. Zuchtformen mit betont grünen, wässrigen oder salicylat-artigen und an Wintergrünöl erinnernden Facetten.


*Dr. G. Schmaus, M. Meier, Forschung, DRAGOCO, Holzminden, M. Gras, Parfümeur, DRAGOCO, Asnieres


Aus dragoco report 04/1998
Mit freundlicher Genehmigung

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