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Iris oder Schwertlilie

Gudrun Cohnen

Die Iris oder Schwertlilie (Iris florentina, Iris germanica, Iris X barbata) kommt ursprünglich aus den trockenen Landstrichen des Mittelmeerraumes. (Die feuchtigkeitsliebende Iris [Iris sibirica, Iris kämpfen etc.] soll hier weniger beachtet werden, weil diese in der Parfümerie und Heilkunde keine Verwendung findet). Iris germanica braucht, um blühen zu können, unbedingt viel Sonne und Kalk. Ihre Wurzelstöcke, die Rhizome, die als verdickte Sprosse ähnlich einer Zwiebel Nahrungsstoffe speichern, wachsen waagerecht und faulen bei Staunässe, deshalb pflanzt man Iris möglichst auf leicht erhöhte Hügelbeete und hält Distanz zu Nachbarpflanzen wie Santolina, Thymian, Lavendel, Sonnenröschen, Lein, Sedum und Sempervivum, die sich alle gut mit Iris vergesellschaften lassen.

Die Blüten erheben sich an starken Stielen aus dem schwertförmigen blau-grüngrauen Laub. Der Bau der Blüten setzt sich aus dem Dom, drei inneren Petalen, die domartig hoch gewölbt sind, und drei Hängeblättern zusammen. Die Oberflächenstruktur der Blütenblätter schimmert teilweise wie alter, kostbarer Samt oder glitzert in silbrigen und goldenen Pünktchen wie Seide. Der aus Härchen gebildete Streifen auf den hängenden Blütenblättern wird als Bart bezeichnet, daher der Name „Bartiris" (Iris X barbata), der den früheren Namen Iris germanica fast ganz abgelöst hat.

Die Blütezeiten der Schwertlilien sind gestaffelt; je niedriger die Sorte, desto früher blüht sie. Im April beginnt die niedrige, schwachwüchsige Nanagruppe, die besonders für Steingärten geeignet ist, gefolgt von den robusteren Intermediasorten und den hohen Bartiris, die bis Ende Juni blühen.

Die Familie der Iris ist sehr groß; die Zahl der Züchtungen moderner Hybriden, die diese Blume zu einer ungeahnten prachtvollen Schönheit entfaltet haben, liegt inzwischen bei 20.000 registrierten Sorten, wobei besonders in Amerika wahre Spitzenleistungen in der Zucht erzielt worden sind.

Irisgesellschaften in Amerika und Europa, die die Pflanzen beurteilen, Preise ver- leihen, neue Sorten vorstellen und seltene Samen verteilen, tragen viel zur Popularität dieser herrlichen Blume bei.

Der Name Iris bedeutet Regenbogen, und die einzelnen Sorten erscheinen wirklich in allen Tönen des Regenbogens mit Ausnahme von Mohnrot. So wie der Regenbogen in den drei Hauptfarben, mattes Rot, Gelb und Blau, dazu in den Mischfarben
Orange, Grün, Indigo und Violett leuchte genauso müsste ein Beet erscheinen, da mit den verschiedenen Sorten aus den Iriskatalog der Gräfin von Zeppelin bepflanzt wäre, die in Deutschland ein( bedeutende lriszüchterin und Händlerin ist Poetische, klangvolle Namen verzaubern bei den Iris genauso wie bei den Parfums, Kupferrot z.B. blüht die Sorte „Cherry Garden", in Kastanien- und Tabaktönen begeistern uns „Apache Warrior" oder „Gingerbread Man". Gelb leuchten „Dresden Candleglow" und „Cream Taffeta", hellbau „Sea Bright" und „Sapphire Hills". Zwischentöne bilden die orangefarbige „Tut's Gold", die violette „Swahili" und die märchenhaften rosa Blüten von „Heartbreaker", „Pearl Chiffon" und „Orchid Brocade". Frische bringen weiße Iris wie „Ledas Lover" oder „Cliffs of Dover", geheimnisvolles Schwarz die Sorten „Night Owl" und „Wedding Suit".

Von diesen phantasievollen Namen ist es nicht mehr weit zu den verlockenden Parfumnamen all jener Duftwässer, die die Iris zu den Hauptbestandteilen ihrer Duftkompositionen zählen. Während fast alle Parfums die Iris als Nebenbestandteil ihrer Herznote führen, regiert der Irisgeruch besonders bei folgenden Grünnoten-Parfums: „Chanel N° 19" (Chanel), „Murasaki" (Shiseido), „Shocking you" (Schiaparelli), „Ainsi" (Atkinsons), „Sport Scent for Woman" (Jovan). Er dominiert auch bei den blumigen Sorten „Fidji" (Laroche), „Laura Biagiotti" (Biagiotti), „Flamme" (Bourjois), „Torrente" (Torrente). und „Fantasque" (Féraud-Avon).

Obwohl bei Aldehyd- und ChyprenotenParfums die Iris untergeordnet auch eine große Rolle spielt, gibt es in diesen Gruppen als speziell irisbetonte Parfums in der Herznote nur „Donna R" (R di Camerino), „Courant" (Rubinstein) und „Eleven" (Atkinsons).

Der Duft der frischen Irisblüten variiert bei einzelnen Sorten zwischen zart und süß, frisch und fruchtig, herb und schwer und erinnert manchmal an Muskat. Beim Trocknen und Pulverisieren entwickeln Iriswurzeln Duftstoffe, die an Veilchengeruch erinnern. „Orchis" oder „Veilchen- wurz", wie der volkstümliche Name der Iris lautet, wird so außer als Parfumfixativ vielseitig in Puder, Hautcremes, Reinigungsmilch und Seifen genutzt. Iris fixiert auch Potpourris und Sachets.

Der alkoholische Auszug der weißen florentinischen Iris, die auf Feldern in der Toskana kultiviert wird, würzt den berühmten Chiantiwein; außerdem fermentiert Irispulver Tabak.

Aber die Schwertlilie ist nicht nur prachtvoller Gartenschmuck und unentbehrliche Parfumgrundlage, sondern auch ein von alters her geschätztes Heilmittel. Im alten Rom hatte der größte Arzt der damaligen Zeit, Pedanios Dioskurides, sein epochales Werk, die „Materia Medica", herausgegeben, die den gesamten damals bekannten Arzneischatz zusammenfasste und bis ins 16. Jahrhundert hinein Gültigkeit behielt. Unter den wichtigsten Duft- und Heilpflanzen zählt er hier die Iriswurzel auf und beschreibt unter anderem ihre schlafbringende Wirkung. 800 Jahre später baute der Reichenauer Abt Walafried Strabo sie in seinem Klostergarten an, um mit den in Wein gekochten Rhizomen Blasenschmerzen zu lindern oder mit dem Puder Fieber zu senken. Auch Karl der Große nahm die Schwertlilie in sein „Capitulare de villis" auf.

1941 untersuchte der Straßburger Arzt Andre Boutin in seiner Dissertation, welche Heilmittel Nostradamus, der legendäre Pestarzt aus der Provence zur Zeit Katharina de Medicis, wohl benutzt haben mochte, und kam auf Grund von Untersuchungen darauf, dass Nostradamus' erfolgreiche Methode in der Zerstäubung aromatischer Essenzen bestand. Die Kenntnis über das Zerstäubungsgerät, einer Art Pumpe, in der sich eine Flüssigkeit aus bestimmten Pflanzen befand, ging verloren und wurde erst 400 Jahre später wieder entwickelt. Das heilende Pulver, das der Flüssigkeit beigesetzt wurde, bestand aus Holzspänen von Zedernholz, florentinischer Iriswurzel, Nelke, Aloe, Moschus, Ambra und einer großen Menge Rosensaft. Räume und Kleider in Pestgebieten wurden mit diesem souveränen Mittel gegen üble Gerüche besprüht, denn man glaubte, dass in den Miasmen die Krankheitskeime enthalten seien.

Lange wurde auch zahnenden Kindern eine Iriswurzel zum Kauen gegeben, um Schmerzen zu lindern. Die entzündungswidrigen Wirkstoffe des Irispulvers entfalten auch in vielen Hustentees ihre wohltuende Wirkung und sind überdies noch harntreibend.

Die Bartiris spielt in der westlichen Kultur und Kunst eine ähnlich große Rolle wie die Telleriris (Iris kämpfen) in Asien.

Als Iris bezeichnet man jeden Strahlenkranz, den Hof um Lichtkörper, die Regenbogenhaut im Auge und den Farbenring auf Pfauenfedern.

Im hellenistischen Gebiet war Iris, wie schon gesagt, der Hauptname für den Regenbogen, die siebenfarbige Himmelserscheinung, die sowohl bei Juden und Christen als auch bei Naturvölkern als Bild für die Schönheit und Gnade Gottes galt und religiöse Empfindungen hervorrief. Der Regenbogen, die Iris, stellt die Verbindung zwischen Gott und den Menschen dar, wie wir es aus der Geschichte Noahs kennen und wie es in der Geheimen Offenbarung des Johannes für den Jüngsten Tag angekündigt ist.

Die Blume wie auch der Regenbogen Iris wurden zum Sinnbild Mariä, Vermittlerin zur Gnade Gottes. Ein alter Hymnus nennt sie „arcus pulcher aetheri". Oder in einem Gesang der orthodoxen Kirche heißt es: „Freude dir, süßduftende Iris, Herrin, erfülle mit .Düften die Gläubigen".

Die Symbolik der Schwertlilie stammt aus den sonnendurchstrahlten Regionen der persischen Königsstadt Susa, die nach ihr benannt ist. Der griechischen Sage nach war Memnos, der Sohn Eos (der personifizierten Morgenröte) ihr Erbauer. Die Schwertlilie trägt den Gedanken der Lichtgeburt des Menschen aus dem Schoß der Erde und der Nacht in sich. Die Lichtsymbolik der Iris verbreitete sich von Asien aus nach Griechenland, wo man sich das Prachtgewand des Zeus mit diesen Blumen bestickt vorstellte.

Die königliche Lilie spielt in stark abstrahierter Form in der Heraldik eine große Rolle. Viele Herrscher nahmen sie zum Abzeichen ihrer Würde, um damit Zepter, Krone, Wappen und Münzen zu schmücken. Es hat um diese heraldische Pflanze einige Verwirrungen gegeben. Die „Blume Ludwigs", die „Fleur de Louis" oder „Fleur de Lis" wird immer als Lilie bezeichnet, ist aber mit Sicherheit eine Iris. Ludwig VII. führte sie bei seinen Kreuzzügen als Feldzeichen, und sie blieb die Wappenblume der französischen Bourbonen.

Auch Frankenkönig Chlodwig, dessen Wappen erst drei Kröten zeigte, tauschte diese nach seinem Sieg über die Goten gegen die Iris aus. Die Sage erzählt, dass der König vor dem Feldzug seiner Königin Chlothilde versprochen hatte, im Falle eines Sieges zum Christentum zu konvertieren. Als Chlodwig während des Kampfes verzweifelt nach einer Furt zum Überqueren des Rheins suchte, erblickte er einen mit gelben Iris bewachsenen Uferstreifen. Da wusste er, dass das Wasser dort sehr seicht sein musste, führte seine Truppen über den Rhein und gewann die Schlacht. Von nun an sah er die Iris als göttliches Zeichen an. Auch die englischen Könige hatten die Iris als Wappenblume, solange sie glaubten, noch einen Anspruch auf Frankreich zu haben.

Die Stadt Florenz trägt ebenfalls eine Iris im Wappen. Auf allen Gebieten der bildenden Kunst ist die Schwertlilie in ihrer edlen Form und bedeutenden Symbolik ein verbreitetes Motiv, sowohl in strenger Stilisierung bei Ägyptern, Assyrern und Griechen, als auch in der Ornamentik der altchristlichen Kunst, vor allem in der sakralen Paramentik. 4000 Jahre alte berühmte Irisdarstellungen zeigt die minoische Kunst auf Kreta.

Die mittelalterliche abendländische Kunst greift die Iris als Symbol der Makellosigkeit auf. Im Hohenlied wird Makellosigkeit oft als Liliengleichheit beschrieben. Hugo van der Goes hat auf seiner „Anbetung der Könige" aus dem 15. Jahrhundert neben Veilchen, Akeleien, Nelken und Feuerlilien auch lila und weiße Schwertlilien dargestellt. Auch in den gemalten Paradiesgärtlein alter Meister wie z.B. Hans Memling finden wir diese schöne Blume.

Ist die Schwertlilie in den gotischen Bildern noch Symbol christlicher Tugend und Reinheit, so malen Dürer und Leonardo da Vinci sie in der Renaissance aus naturwissenschaftlichem Interesse, die barocken Niederländer de Heem, Rachel Ruysch, Brosschaert aus Freude an Prunk und Schönheit.
Gegen Ende des 18. und das ganze 19. Jahrhundert hindurch fand die Iris in der Kunst nicht soviel Beachtung, um dann zu Anfang des 20. Jahrhunderts zur Lieblingsblume der Art Nouveau und des Jugendstils zu avancieren. Glasfenster, Fliesen, Bildteppiche, Vasen, Porzellan und Möbel dieser Zeit zeigen ihr Bild. Die berühmten Galle-Vasen schimmern in der Irisierung, die man bei den Schwertlilien abgesehen hat. Auch Tiffany-Lampen greifen das Irismotiv auf.
Ist es nicht erstaunlich, welche Fülle an Schönheit, Nutzen und Inspiration von einer einzigen Pflanze ausgeht?

Ein japanischer Tanka lautet:

Wo das Abendrot
purpurn auf dem Meere brennt,
ist in weißer Pracht eine Iris aufgeblüht
Ferne fährt ein Segelschiff -
Yosano Hiroshi



Aus dragoco report 04/1993
Mit freundlicher Genehmigung

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