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Parmaveilchen zwischen Legende und Wirklichkeit

Ruth Kromer

Bereits im Altertum, wie Dioscurides, ein griechischer Arzt im 1. Jahrhundert n. Chr., verrät, diente das Veilchen als Medizin, bevor es seine „Karriere" als Parfum begann. Denn später empfahl es die Heilige Hildegard, aus Bingen am Rhein gebürtig, im 10. Jahrhundert n.Chr. als wirksames Mittel gegen Sehstörungen, gegen Melancholie und vor allem gegen Krebs- mit welchem Erfolg bei jenem Grundübel der Menschheit, nach dessen Erreger noch heute die Ärzte forschen, bleibe dahingestellt. Im Mittelalter, wie Mesue im 9. Jahrhundert beschreibt, diente jene Blume den Epileptikern zur Gesundung oder verschaffte ihnen wenigstens Erleichterung. Auch bei Schlaflosigkeit war sie wirksam, und angeblich sollen jene graustichigen Blätter damals die Moral deprimierter Menschen gehoben haben. So „nebenbei" würzte man ein besonders leckeres Gebäck mit ihren zerriebenen Blättern. Welche der bis heute bekannten 200 Arten man dazu verwendete, verschweigen die Chronisten.

Woher jene herrlichen Pflanzen, die mit Parma zum untrennbaren Begriff wurden, allerdings ursprünglich kamen, ist nie eruiert worden. Vielleicht hatte man sie zuerst in Grasse (Frankreich) angepflanzt, während andere Historiker behaupten, sie wären über Imperia an der ligurischen Küste in Parma gelandet. Andere Geschichtsschreiber glauben sicher zu sein, dass sie von Spanien aus, zur Zeit der Bourbonen, zunächst in Neapel ankamen, von wo aus man sie nach Parma sandte, damit sie endgültig dort, um bei der Sprache der Blumen zu bleiben, „Wurzeln schlugen".

Schon 1750 wurden sie systematisch im Botanischen Garten jener Stadt angepflanzt, um sie nachher als Dekorationsblumen zu verwenden und ebenfalls zu Studienzwecken, da ihr Ruf als Medizin anhielt.

Aber genau wie jeder Künstler wäre die „Violetta di Parma" kaum zu internationalem Ruhm gelangt, wenn nicht die geschickteste Public-Relations-Frau ihrer Epoche, Marie-Louise, mit Napoleon verheiratet, zur Veilchenfanatikerin geworden wäre, als sie längere Jahre in Parma lebte. Am 4. Oktober 1815 schrieb sie vom Wiener Schloss Schönbrunn aus an eine Freundin: „Bitte sorge dafür, dass jene zarten Blüten gut gepflegt werden. Jedes Mal, wenn ich an sie denke, werde ich traurig." Und wie ernst sie es mit ihrem Blumen-Fanatismus meinte, beweist die Tatsache, dass Marie-Louise bei offiziellen Anlässen ihren Körper nicht nur mit Veilchenparfum bedeckte, sondern auch zartlila Gewänder trug.

Als sie nach längerer Abwesenheit in ihre Villa Colorno bei Parma zurückkehrte, brachte sie, nach Renovierung des Palastes, überall an den Wänden Veilchenbouquets an, die für sie als Symbol der Schönheit und Bescheidenheit galten. Und dass Veilchen auch sonst mit einem schlichten Charakter assoziiert werden, besagt ein deutscher Vers, den fast jedes Schulkind mit auf den Lebensweg bekommt: „Blüh' wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein, und nicht wie die stolze Rose, die immer gelobet will sein." ... Woraus man ersieht, dass Marie-Louise auch in puncto Jugenderziehung ihrer Epoche weit voraus war...



Aus dragoco report 05-06/1978
Mit freundlicher Genehmigung

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