Versand
auch nach

Sandelholz: faszinierende Naturgeschichte


Edwin T. Morris

Das ostindische Sandelholz (Santalum album) ist das berühmteste aller tropischen Harthölzer - das einzige übrigens, das in Teilen bis zu einem Kilogramm gehandelt wird. Das Sandelholz wird vom Menschen seit über zweitausend Jahren geschätzt; Santalum album und verwandte Arten gelten als eine Art pflanzliches Gold. In Indien ist heutzutage jeder einzelne Baum von vornherein Eigentum des Staates, ganz gleich, wo er wächst. Vor der Unabhängigkeit Indiens genoss der Maharadscha von Mysore das gleiche Privileg. Nicht ein einziger dieser „königlichen Bäume'' darf ohne Genehmigung der Regierung geschlagen werden. Kein Holzschnitzer kann rechtmäßig mit der Bearbeitung eines Sandelholzstückes beginnen, das nicht einen offiziellen Stempel trägt. Schieber und Schmuggler versuchen aber immer wieder, dieses kostbare Holz zu stehlen, wobei sie oft die Stücke in groben Jutesäcken unter Zwiebeln oder Koriander verbergen, um so den verdächtigen Duft zu überdecken.

Aus botanischer Sicht gibt es wenige Duftpflanzen, die so faszinierend sind wie das Sandelholz. Santalum album gehört zu einer großen Pflanzenfamilie mit ca. 400 Arten, den Santalaceae, die sich auf über 30 Gattungen verteilen. Die Gruppe der eigentlichen Sandelpflanzen, der Tribus Santaleae, leitet wie die Großfamilie ihren Namen von der Duftpflanze her. Dies ist aber irreführend, denn der Name wird so auch auf viele andere Arten dieser Familie angewandt, die keineswegs Hölzer sind, sondern vielmehr winterharte Gräser oder Büsche. Viele davon sind in tropischen oder subtropischen Gebieten heimisch, einige aber auch in gemäßigten Breiten (Hegnauer).

Die Gattung Santalum ist verbreitet zwischen 30° n. Br. und 40° s. Br., von Indien über Indonesien, Australien, Neuseeland, Polynesien ostwärts bis Hawaii und den Juan-Fernandez-Inseln, die kurz vor der südamerikanischen Küste liegen. Heutzutage wird der weiße Sandelbaum (Santalum album L.) hauptsächlich auf der Insel Timor (Indonesien) und in Indien gefunden, obwohl er einst wahrscheinlich eine weitere Verbreitung in der. indomalaiischen Region gehabt hat. Es herrschen Meinungsverschiedenheiten unter den Naturforschern über die ursprüngliche Heimat der Art; einige sind der Meinung, dass der Sandelbaum in Indien nur eine eingebürgerte Art ist, die vor langer Zeit aus Indonesien wegen des begehrten Wohlgeruchs eingeführt wurde. Immerhin wurden einige natürlich vorkommende (autochtone) Bestände des Baums an der Höhe von Bergschluchten im Staat Maharashthra in Indien gefunden.' Der Baum wächst heutzutage in verhältnismäßig trockenen Regionen des indischen Subkontinents, südwärts des Vindhya Gebirges in Mysore und Tamil Nadu. Er gedeiht dort, wo mäßiger Regen, viel Sonne und schnelle Entwässerung vorherrschen. Santalum album, der „ostindische" Sandelholzbaum, wurde in nördlichere Regionen Indiens eingeführt. Allerdings scheint die - im Vergleich zum Süden niedrigere - Qualität des ätherischen Öls darauf hinzuweisen, dass die Artaus ihrer „ökologischen Nische" entfernt worden ist.

Es gibt 16 Santalum-Arten, die wegen ihres Wohlgeruchs geschätzt werden. Der Name solcher Bäume ist in der Sprache der Ureinwohner Hawaiis „Laau aala" (duftendes Holz). Wie in Indien,

wurde auch hier große Findigkeit zum Aufstöbern dieser begehrten Handelsware entwickelt. Erst das Aussetzen eines „Tabus" ermöglichte im 19. Jahrhundert, das übermäßige Fällen der Bäume auf Hawaii zu unterbinden, wo einst reiche Bestände vorgekommen waren. Heute können vereinzelte Bäume in Schutzgebieten auf den Inseln Lanai, Molokai, Hawaii und Kauai gefunden werden. Die hawaiischen Santalum-Arten sind S. freycinetianum, S. Haleakalae und S. pyrularium. Bei der Erkundung der Juan-Fernandez-Inseln im Jahr 1910 konnte der Botaniker Skottsberg lediglich einen kümmerlichen Überlebenden von S .fernandezianum auffinden, einem weiteren Mitglied der wegen ihres begehrten Duftes zu Schaden gekommenen Pflanzenfamilie.

In Australien ist es den dortigen Pflanzen des Tribus „Santaleae" etwas besser ergangen, obwohl doch „australisches Sandelholz" ein Handelsartikel ist. Dem zugehörigen Baum sind vier verschiedene Namen gegeben worden, darunter Santatum spicatum und S.zygnorum. Heute haben sich die meisten Botaniker für die Bezeichnung Eucarya spicata entschieden. Ein weiterer australischer Sandelbaum, Santatum lanceolatum, wurde in technischem Maßstab destilliert. Das ebenfalls wohlriechende Öl enthält aber keine Santalole,4 die den Geruch des ostindischen Sandelholzöls prägen.

Die hervortretenden Kennzeichen der Sandelholzfamilie sind die folgenden: Blätter, die stets einfach sind, ohne große Variation der Form; Früchte, die Nüsse oder Beeren sind, nur ein Samenkorn enthalten und denen eine richtige Samenschale fehlt. Der Same von Santalum album ist kugelrund und etwa erbsengroß. Die typischen Blüten in dieser Familie sind üblicherweise klein, grünlich, dunkelrot oder gelb. Sie sind radialsymmetrisch, neigen zur Einbindung in das Laubwerk und werden stets von Insekten und niemals von Vögeln bestäubt. Nach erfolgter Befruchtung werden die Samen jedoch von Vögeln verbreitet. Die Blüten von Santalum album sind stets vollständig; dies bedeutet hier das gleichzeitige Vorkommen männlicher und weiblicher Teile in jeder Blüte. Obwohl Teil einer der berühmtesten Duftpflanzen, besitzen diese Blüten keinen Duft.

Ein weiteres Charakteristikum der Familie ist die überraschende regenerative Kraft der Wurzeln. Nach einer Beschädigung der Mutterpflanze können neue Schößlinge bis zu sieben Meter entfernt vom ursprünglichen Stamm erscheinen. Das Laubwerk bildet sich dann zeitweise zu einer juvenilen Form und Größe zurück. Aber bald verfestigt sich der neue Schößling und entwickelt normale, voll ausgeformte Blätter. Dieser Vorgang scheint eine Anpassung an die Feuersgefahr zu sein, die besonders in Australien eine ständige Bedrohung ist.

Der ostindische Sandelbaum (S. album) erreicht eine Höhe von 8 bis 10 m mit schlank herabhängenden Zweigen. Die Rinde ist dunkelgrau sowie, besonders bei alten Bäumen, mit tiefen und längs verlaufenden Furchen versehen. Der Umfang des Stammes kann bis zu 2,4 m betragen.

Das Merkwürdigste an den Sandelhölzern ist, dass sie Schmarotzerpflanzen sind. Der Parasitismus ist eine Art Anpassung zwischen höheren Pflanzen, die es ihnen ermöglicht, unter bestimmten Umständen zu überleben. Andererseits erweckt dieser Ausdruck wegen seiner analogen Verwendung bei höheren Tieren Vorstellungen von Vampiren oder ähnlichen gierigen Kreaturen. Sogar Erasmus Darwin bezeichnete die Schmarotzerpflanze als „unzüchtige Schöne, die sich mit schäumendem Gebiss den vergifteten Wunden anheftet". Die Mistel (Viscum album), die zur Ordnung der Sandelartigen (Santatales) gehört, ist eine der in Europa bekanntesten Schmarotzerpflanzen. Alle Mitglieder der Familie der Sandelhölzer (Santalaceae) sind Schmarotzerpflanzen. Einige leben wie die Mistel in den Zweigen einer Wirtspflanze und andere auf deren Wurzeln.

Sandelholz war von altersher eine Handelsware, die selbst den alten Ägyptern vertraut war. Auch war es frühen Forschungsreisenden wie Georg Eberhard Rumpf (lat. Rumphius), 1627-1702, bekannt, der als erster Europäer die Pflanze beschrieb und zeichnete, und zwar in seinem erst 1741 veröffentlichten „Herbarium Amboinense". Allerdings wurde der Parasitismus von Santalum albuni der Fachwelt erst im Jahr 1870 bekannt, als der britische Naturforscher Scott das Wurzelsystem beschrieb. Erst nach Ausroden eines Schößlings wurde diese unerwartete Methode zur Gewinnung von Nährstoffen als plausibel angesehen.

Das Saugorgan, das „Haustorium", ist die Umwandlung von normalen Wurzeln in Werkzeuge für den Parasitismus der Pflanze. Sie entsprechen dem Saugnapf der Kraken. Die Bezeichnung „Haustorium” wurde von dem Botaniker Alphonse de Candolle im Jahr 1813 geprägt, um auf die physiologische Brücke hinzuweisen, die die Wirtspflanze mit der Parasitenpflanze verbindet -jene Leitung, durch welche Nährstoffe von einem Partner zum anderen fließen. Die Haustorien der Sandelhölzer sind ungefähr kegelförmig und fügen sich wie ein Saugnapf an die Wurzeln der Wirtspflanze; eine Art Lappen dringt in das Gewebe der Wirtspflanze ein. Manchmal wachsen die Hauptlappen des Haustoriums um das Wurzelholz herum und bilden so eine Umklammerung.

Obwohl das Haustorium zuletzt eine eigene Größe und Form einnimmt, ist es in Wirklichkeit nur eine Erweiterung der Wurzel, nicht ein eigenes Organ. Es wird aus Epidermis und Cortex (äußerer „Haut" und inneren Rindenteilen) der Wurzel gebildet.5 Bei einem beginnenden Kontakt mit einer Wirtspflanze fangen die alleräußersten Zellen des sich entwickelnden- Haustoriums an, sich zu verlängern. Durch eine Kombination mechanischer und enzymatischer Vorgänge gelingt es ihnen, die äußeren Schichten der Gastwurzel aufzureißen. Gleichzeitig mit der Aufspaltung der Wurzelrinde findet ein plötzliches Wachstum statt; eine Verlängerung von Zellen des Haustorienkerns bewirkt die Bildung eines eindringenden Keils. Dieses Eindringen geschieht außerordentlich schnell. Nur einem einzigen Forscher gelang es bisher, ein Haustorium kurz vor dem Zeitpunkt des Eindringens zu beobachten.' Das eingewachsene Organ erreicht das innere Kernholz der Wirtspflanze und bildet eine direkte Brücke zur Schmarotzerpflanze. Die eigentliche Kopplung geschieht zwischen beiden Xylem-Systemen (den verholzten wasserführenden Stützgeweben), nicht zwischen den Phloem-Systemen (den nährstofführenden Rindenschichten). Das Xylemgewebe dient nicht ausschließlich dem Transport von Wasser, sondern es enthält auch eine Reihe organischer Substanzen, wie verschiedene Zucker, Stickstoffverbindungen und Enzyme. In manchen Wachstumsphasen kann ein merkliches Ansteigen der Kohlenhydratkonzentration beobachtet werden.

Der Sandelholzbaum entnimmt Phosphor- und Stickstoffverbindungen von seiner Wirtspflanze. Wenn junge Sandelpflanzen noch nicht eine Verbindung zu einer Wirtspflanze geknüpft haben, weisen die Blätter einen bemerkenswerten Mangel an grundlegenden Aminosäuren auf. Wenn aber durch das Haustorium eine Befestigung an Wirtspflanzen aus der Familie der Leguminosen erfolgt ist, beginnen die Sandelblätter, einen hohen Anteil solcher Aminosäuren anzusammeln." Das Xylemgewebe ist vor allem für den Transport von Wasser geeignet, und daher überrascht es nicht, dass die Schmarotzerpflanze hauptsächlich Wasser entnimmt. Im Fall von Wassermangel ist es die Wirtspflanze, die zuerst verwelkt.

Der Parasitismus des Sandelholzbaumes ist ein faszinierendes und widersprüchliches Phänomen. Beispielsweise kommen nicht alle Nährstoffe von der Wirtspflanze. Calcium- und Kalium-Ionen werden dem Erdboden durch eine Kombination von Wurzeln für Flüssigkeits- und Nährstoffaufnahme entzogen, wie dies bei Tausenden der üblichen Pflanzen geschieht. Die Blätter führen die Photosynthese aus, so dass die Pflanze normal und grün aussieht. Ganz anders wirken die Schmarotzerpflanzen ohne Chlorophyll, wie z. B. die unheimliche „Indische Pfeife", die in gemäßigten Zonen verbreitet ist, oder die Pflanzen der Familien Rafflesiaceae und Balnophoraceae, die im Dunklen, fast ohne Sonnenlicht, in den unteren Bereichen tropischer Urwälder wachsen. Schmarotzerpflanzen, die zur Photosynthese fähig sind, wie die Santalaceae, werden als Halbparasiten (Semiparasiten) bezeichnet.

Eine weitere Kuriosität ist ein gewisser Stofftransport vom Schmarotzer zur Wirtspflanze hin. De Candolle konnte dies bei der Mistel unter Verwendung von Karminrot (aus Cochenille) nachweisen. Ein weiteres merkwürdiges Phänomen tritt bei dem Wurzelkontakt zwischen einem Santalum und einer Kirschmyrte (Eugenia) auf, wobei die Frucht der Eugenia selbst bei fehlenden Haustorien den charakteristischen Geschmack der Sandelpflanze annimmt. Andererseits adaptieren Sandelbäume, die nahe bei Brechnußbäumen (Strychnos nux-vomica) wachsen, den bitteren Geschmack, der für diese alkaloidhaltige Pflanze typisch ist.

Meistens können Sandelholzbäume ihren eigenen Saugorganen widerstehen. Allerdings gibt es eine Reihe von Beispielen für Bäume, die auf ihren eigenen Wurzeln schmarotzen. Haustorien können auch an Felsen oder Kieselsteinen im Boden ausgebildet werden. Hierdurch wird aufgezeigt, wie notwendig es für diese Art höherer Pflanzen ist, Verbindungen zu Wirtspflanzen ausbilden zu können. Der junge Sämling unternimmt in seinen ersten Lebensmonaten erhebliche Anstrengungen, sich mit einem geeigneten Wirt zu verknüpfen. Wenn dies nicht innerhalb des ersten Jahres nach der Keimung geschehen ist, stirbt die Pflanze normalerweise ab. Einige seltene Beispiele sind bekannt, wo Sandelbäume eine Höhe von 13 m erreichten, ohne dass ein Parasitismus nachgewiesen werden konnte.

Wir kennen die Lebensdauer eines Haustoriums nicht genau. Bei einer Pflanze aus der Familie der Santalaceae, der Buckleya, ist ein Alter von etwa 15 Jahren angegeben worden.12 Ein gesunder Lebensablauf erfordert, dass die Bäume diese Nährstoffbrücken kontinuierlich nachbilden. Meistens halten sie sich an regelmäßige Abläufe, die mit dem stürmischen Blattwachstum während der ersten Mai-Regen und nach dem indischen Monsun im Oktober übereinstimmen.

Der Sandelbaum bringt eine sehr große Zahl von Samen hervor, die übrigens ein für die Hautpflege zu verwendendes Fett, jedoch kein ätherisches Öl enthalten.13 Diese große Zahl ist ebenfalls eine Konsequenz der ganz besonderen Anforderungen des Sandelbaums im Zusammenleben der Pflanzenwelt. Die Notwendigkeit, eine Wirtspflanze zu finden, vermindert seine Überlebenschance gegenüber anderen Bäumen. Dieses Risiko wird durch die große Zahl der Samen ausgeglichen. Der Samen ist wohlausgestattet mit Nährstoffen und ermöglicht so eine große Aktivität beim Auffinden von Wirtspflanzen. Für die eigentliche Keimung ist kein Wirt notwendig, allerdings können scheinbar Wurzelausscheidungen zukünftiger Wirtspflanzen den Keimungsvorgang stimulieren und die neue Pflanze auf ihre spätere Nahrungsquelle hinleiten.

Weiche Wirtspflanzen gibt es? Über 160 sind für Santalum album bekannt. Zu den günstigsten gehören: Acacia concinna, Albizzia lebbeck, verschiedene Bambusarten wie z. B. Bambusa arundinacea, weiterhin Cassia auriculata (eine Zimtart), Eucalyptus globulus, Strychnos nuxvomica (Brechnuß), Tectona grandis (Teakholz) und Ziziphus oenoplia. Obwohl der Bambus eine ausgezeichnete Wirtspflanze ist, eignet er sich doch nicht vollends. Viele dieser Riesengräser gelangen normalerweise erst nach Jahrzehnten zur Blüte. Wenn sie aber einst blühen, werden sie bald absterbn. Das Erblühen kann über 30 Jahre ausbleiben; Santalum album erreicht seine Fortpflanzungsfähigkeit erst nach 60-80 Jahren. Die Zahl neu erkannter Wirtspflanzen vergrößert sich fast in jedem Jahr. Das Fehlen spezifischer Wirtspflanzen dürfte dazu beigetragen haben, dass Europäer erst nach Jahrhunderten den Parasitismus des Sandelbaums erkannt haben. Viele indische Forstleute haben diese Eigenart richtig eingeschätzt. Große Sorgfalt muss beim Anbau auf die Auswahl von Wirtsbäumen verwendet werden, da Sandelhölzer für eine Art „Brand" anfällig sind. Diese als „Stachelkrankheit" bezeichnete Pflanzenseuche verdankt ihren Namen der Tatsache, dass befallene junge Blätter und Schößlinge verkümmern und steif abstehen. Ausgewachsene Blätter werden gelb, Wurzeln verdorren, und die Haustorien werden nicht mehr neu gebildet oder verkümmern. Die Ursache dieser Pflanzenkrankheit ist bisher nicht vollständig geklärt; man nimmt an, dass sie von Viren verursacht und durch Insekten ausgebreitet wird.

Es ist wahrscheinlich, dass gewisse Gastpflanzen die Insekten in sich bergen, die die Krankheit verbreiten. Eine Verbindung zwischen dem Vorkommen der „Stachelkrankheit" und dem als Wirtspflanze dienenden Wandelröschen (Lantana camara) konnte nachgewiesen werden. Als ein in hohem Maße widerstandsfähiger Wirt wurde Azadirachta indica (Nimbaum) erkannt. Einzelne auf dieser Pflanze wachsende Sandelbäume waren imstande, der Krankheit zu widerstehen, obwohl sie von infizierten Bäumen umgeben waren. Sorgfältige Forstwirtschaft ermöglicht eine erhebliche Verminderung der Stachelkrankheit des Sandelbaums.

Die Wahl der Wirtspflanze für den Anbau ist auch aus einem anderen Grund bedeutungsvoll: bestimmte Wirtspflanzen begünstigen anscheinend eine bessere Kernholzbildung. Nur in diesem Teil des erwachsenen Baums ist das wertvolle ätherische Öl enthalten - und nicht im Splintholz, der lebenden und wachsenden Zone des Stammes.

Anscheinend häufen sich die Seltsamkeiten über diesen fremdartigen Baum mit seiner vielbegehrten Essenz. Er selbst erleidet nämlich ab und zu den Befall durch andere Parasiten, und zwar nicht durch Mikroorganismen oder Pilze, sondern durch eine höhere Pflanze, die „Seide" Cuscuta reflexa. Hierdurch wird die Lebenskraft des Baumes geschwächt. Es entstehen auch Verhärtungen im Holz, die es für Schnitzarbeiten unbrauchbar machen; Schmarotzer auf Schmarotzern!

Der Sandelbaum, der königliche Baum, benötigt trockenen, felsigen Boden, oft mit roter, eisenhaltiger Erde über metamorphen Felsen. Seltsamerweise gedeiht er besonders üppig in Gärten oder Pflanzungen entlang von Flussufern; die Ausbeute an ätherischem Öl wird dann aber deutlich geringer.

Kernholz erscheint erst nach einem Wachstum von ca. zehn Jahren. Bei zwanzigjährigen Bäumen fängt es an, sich schneller auszubilden. Wenn der Baum 30-60 Jahre alt ist, kann er gefällt werden. Der sonst übliche Ausdruck „Fällen" kann eigentlich nicht für diesen ungewöhnlichen Vorgang verwendet werden. Der voll ausgewachsene Baum muss vollständig ausgerodet werden, da die Wurzeln ganz besonders reich an wohlriechendem Kernholz sind.

Das Kernholz hat nicht nur einen exquisiten Duft, sondern eine seit langem von der Bevölkerung Indiens, der Ostindischen Inseln, Chinas, Japans und Koreas geschätzte Eigenschaft. Es kann dem Befall durch weiße Ameisen, Termiten, widerstehen. Dies kann beim Gewinnen des Kernholzes genutzt werden. Rinde und Splintholz bieten den Ameisen ein Festessen, aber bei dem Kernholz, dem tatsächlich wertvollen Teil, sind sie machtlos.

Das Kernholz ist hell gelbbraun und dunkelt bei zunehmendem Alter nach. Der Ölgehalt ist bei den frischen dunkleren Stücken größer; er ist bei Bäumen, die im Gebirge gefällt werden, höher als sonst. Der Duft verbleibt dem Holz für viele Jahre. Das Holz ist ziemlich hart mit einem Gewicht von 897 bis 1137 kg/m3. Es ist ausgesprochen feinkörnig und gleichmäßig gemasert, lässt sich ohne Schwierigkeit sägen und kann leicht auf Hochglanz poliert werden. Mit anderen Worten - es ist ein perfektes Material, eine Art botanisches Elfenbein. Es ist so kostbar, dass die indische Regierung 18 Qualitätsgrade festgelegt hat, sogar hinab bis zum Sägemehl.

Beim Überdenken der Geschichte des Sandelholzes wird man an eine Fabel des chinesischen Philosophen Chuang Tzu (369-286 v.Chr.) erinnert. Er erzählte die Geschichte zweier Bäume, die zusammen im Wald stehen. Der eine war wunderschön, hochgewachsen und überheblich, wenn er sich mit seinem Genossen verglich, einem kümmerlichen und verwachsenen Zwerg. Als der Holzfäller den Wald betrat, warf er einen geringschätzigen Blick auf den hässlichen, gekrümmten Baum. Aber es erglänzte ein Feuer des Interesses in seinem Auge, als er den anderen erblickte, der so stolz auf seine feine, gerade Gestalt war. Der Fäller nahm seine Säge heraus und fing an, ihn zu fällen. Als jener später den Hügel hinunterging mit seiner Beute, stieß der knorrige und verwachsene Zwergbaum einen Seufzer aus und bemerkte: „Alle denken, wie nützlich es ist, nützlich zu sein, aber nur wenige erkennen, wie nützlich es ist, nutzlos zu sein ..."

Das Sandelholz hat oft wegen seines Nutzens für den Menschen leiden müssen. Moderne Entwicklungen der Riechstoff-Forschung ermöglichen heute den Ersatz des Sandelholzöls in Parfumölen. Hierdurch kann ein künftiger Raubbau natürlicher Sandelholzvorkommen vermieden werden.



Aus dragoco report 02/1983
Mit freundlicher Genehmigung

Hat Ihnen der Artikel gefallen?