Nachtphlox

Ich liebe sie, die Welt der nachtduftenden Pflanzen. Ist am Abend im Garten vermeintlich Ruhe eingekehrt, so entfaltet sich ein Leben, das mich fasziniert. Fledermäuse auf der Jagd nach Nachtschmetterlingen, Motten und Schwärmern. Diese Gruppe von Insekten wiederum sucht fleißig nach Nektar, der um diese Zeit nur in nachtduftenden Blüten zu finden ist und der auch nur zu dieser Nachtzeit abgegeben wird. Und wie sie darum locken, besucht zu werden. Das Restlicht der Nacht wird verstärkt durch ihre meist weißen oder beigefarbenen Blüten und dann der Duft... Unter den vielen Nachtduftern hat es mir der Nachtphlox oder Sternbalsam besonders angetan. Für mich offenbart sich Marzipan mit Amarettonote. Bei unseren Abendführungen im Juli gebe ich meine Duftassoziationen zum Besten und etwa 95 % der nächtlichen Duftgartenbesucher teilen diese Duftimpressionen.

Auf einer Abendführung vor ein paar Jahren überraschte mich ein Herr, der mit meinen Marzipanideen gar nicht einverstanden war. „Was, Marzipan, das ist Pferdestall!“ war seine Erwiderung. Etwas konsterniert bestätigte ich seine Wahrnehmung. Wenn er Pferdestall riecht, dann ist das so. Ein paar Jahre verbreitete ich diese Geschichte bei weiteren Abendführungen und vernahm jedes Mal erstauntes Aufhorchen, sowie die Lacher auf meiner Seite, da der Weg von Marzipan zum Pferdestall für die meisten kaum nachvollziehbar war.

Doch dieses Jahr wurde ich eines Besseren belehrt. Ich lernte Herrn Kaiser kennen, einen Duftstoffchemiker aus der Schweiz. Als wir ins Fachsimpeln kamen, erzählte ich ihm meine „Marzipan-Story“. Erstaunt erfuhr ich, dass neben dem Marzipanduft der Pferdestallduft von zwei Komponenten herrührt, die ebenfalls im Blütenduft des Nachtphlox enthalten sind. Es handelt sich um para-Cresol (Methylierter Phenolkörper), welches von der Pferdehaut abgegeben wird und einer Phenylessigsäure, die im Urin der Pferde zu finden ist... Also doch „Pferdestall“. Bei den nächsten Führungen im Juli, werde ich den Herrn mit der „Pferdestall-Note" gebührend erwähnen, denn seine Nase ist besonders empfindlich für die genannten Stoffe, die die meisten anderen Mitmenschen gar nicht wahrnehmen.

P.S.: Wenn Sie auch kleine Anekdötchen in Zusammenhang mit den Düften von Kräutern und Duftpflanzen erlebt haben, teilen Sie diese gerne mit uns. Wir werden eine Auswahl davon gerne mit Nennung des Namens im Newsletter und im Blog veröffentlichen.