Über den Duft des Moschuskrauts
rnst-Joachim Brunke und Franz-Josef Hammerschmidt
Unter den Frühjahrsblumen, die in verschiedenen prächtig blühenden Arten und meistens auch in großer Anzahl den Boden der Laubwälder der nördlichen Erdhälfte bedecken, befindet sich auch eine unscheinbare und von vielen unbeachtete Pflanze, das Moschuskraut (Adoxa moschatellina), mit dem wir uns in den folgenden Ausführungen beschäftigen wollen.
Während viele der im Frühjahr blühenden Pflanzen besonders durch ihre Blüten auffallen und meistens nur einen zarten Duft verströmen, macht sich das Moschuskraut durch seinen Geruch bemerkbar. Der viel versprechende Name dieser Pflanze und der auffällige Duft veranlassten uns zur Untersuchung der flüchtigen Bestandteile von Adoxa moschatellina.
Das Moschuskraut ist auf der nördlichen Erdhalbkugel verbreitet. Es bevorzugt bergige Regionen mit gemäßigtem Klima und kommt insbesondere auf anspruchsvollen Standorten wie in Edellaubholz-Mischwäldern (Fraxinetalia) und Schlehengebüschen (Prunetalia) vor. Die zarten, fleischigen und grünen Pflanzen werden nur 5-15 cm groß und tragen endständige grünliche Blütenstände, die aus 5-7 Einzelblüten zusammengesetzt sind. Bestäubt werden diese vor allem von Fliegen. In frisch aufgeblühtem Zustand verströmt das Moschuskraut einen intensiven Geruch, der aus aldehydischen, grünen, etwas fettig-metallischen und cuminartigen Noten zusammengesetzt ist. Dieser starke, für den Menschen nicht gerade angenehme Geruchskomplex dürfte seinerzeit die Namengebung der Pflanzen beeinflusst haben.
Für die analytische Untersuchung der flüchtigen Inhaltsstoffe wurden einige hundert frisch aufgeblühte Kronen im nördlichen Vorland des Harzgebirges (Westdeutschland) gesammelt und umgehend in unzerkleinertem Zustand perforiert. Nach Abdampfen des Lösungsmittels verblieb ein Extrakt, der auch den typischen Geruch des Moschuskrauts in konzentrierter Form aufwies. Durch die Kombination Gaschromatographie/Massenspektrometrie wurden die in der Tabelle aufgeführten geruchsaktiven Verbindungen 1-5 identifiziert. Weiterhin nachgewiesen wurden geradkettige Kohlenwasserstoffe von C20 bis C27 sowie Eicosan- und Docosansäuremethylester. Eine Mischung der Verbindungen 1-5 nach den in der Tabelle angegebenen Mengenverhältnissen ergab in Verdünnungen von mindestens 1:103 weitgehende Übereinstimmung mit dem Geruchskomplex von Adoxa moschatellina.
Die Verbindungen 1-5 sind in zahlreichen Pflanzen, vor allem 1-4 als Bestandteile der Blätter bzw. der grünen Teile nachgewiesen worden. Ein Moschus-Riechstoff, der zwar aufgrund des Namens der Pflanze, nicht aber anhand des Geruchskomplexes, zu erwarten war, konnte nicht aufgefunden werden. Da jedoch über die lnhaltsstoffe von Adoxa moschatellina, der einzigen bisher bekannten Adoxacea, nur wenig bekannt ist, sollte die beschriebene Untersuchung zur weiteren Kenntnis dieser taxonomisch schwierigen Art beitragen.
Flüchtige Komponenten aus den Blüten von Adoxa moschatellina
Verbindung Produktverteilung (%)
Summe der identifizierten Riechstoffe = 100 %)
Trans-2-Hexenal (1) 43,0
Cis-3-Hexenol (2) 21,0
Benzylalkohol (3) 13,5
n-Hexanol (4) 12,5
Trans-2-Hexenol (5) 10,0
Experimentelle Angaben
Gewinnung des Extraktes: Die im April 1979 bei Lutter am Barenberge (Kreis Goslar) gesammelten Blütenstände (10 g) wurden unzerkleinert in einer Soxhlet-Apparatur unter Schutzgas 8 Stunden mit 150 ml 1,1,2-Trichlor-1,2,2-trifluor-ethan (Kp. 47,6°C) extrahiert. Nach Abdestillieren des Lösungsmittels über eine 15 cm Vigreux-Kolonne verblieben 70 mg gelbliches Öl als Rückstand, das durch GC/MS untersucht wurde.
Meßgeräte: Gaschromatographie (GC) mit 50 m Glaskapillare WG 11 (FFAP-Phase), Trägergas Helium, Vordruck 2,3 bar., Temperaturprogramm 60-220°C (4°C/min.). Massenspektrometrie (MS) mit Hewlett-Packard 5992 A, 70 eV.
Aus dragoco report 03/1980
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