So weit der Same fällt
Sie kommen gerade von einem Spaziergang von der Fröttmaninger Heide im Norden Münchens zurück. Schön war´s, ein heißer Hochsommertag im August. Manchmal erschien der Weg etwas zugewuchert, mit irgendwelchen Wildpflanzen. Doch das Durcheinander war kein Problem. Halt- was ist den das? Am Hosenbein sitzen seltsame kleine Anhängsel. Sie lassen sich kaum wegbürsten, so fest haben die sich in den Baumwollstoff gekrallt. Die nähere Betrachtung zeigt, dass die haarigen Anhalter tatsächlich mit einer Unzahl borstiger Haare bedeckt sind. Da haben Sie aber Glück gehabt!
Oder hatte das Odermennig Glück? Um die Samen diese Wildstaude handelt es sich nämlich. Der Mitreisende ist dazu gemacht, sich an ein Tierfell anzuklemmen, gerade so gut passt ihm ein Kleidungsstück. Dann lässt er sich mitschleppen, um irgendwo wieder abzufallen. Aussaat per Zufall nennt man das. Aber mit dieser Methode ist der Odermennig schon die große Ausnahme unter den Wildblumen. Er gehört zu den Weitgereisten, den echten Wanderern. Die meisten Arten sind nicht mobil. Der Natternkopf hat´s da schwerer, obwohl er weniger als ein Fünftel vom Odermennig wiegt.
Ist der Same reif, fällt er gerade dahin, wo die Pflanze steht: unten drunter.
Das kann der Mohn schon besser. Dank Salzstreuerprinzip und mit Hilfe des Windes verteilt er seine Samen immerhin im Umkreis von drei Metern. Selbst so winzige Samen wie die von Königskerzen, von denen erst 1000 Stück ein Gramm wiegen, kommen kaum weiter.
Null bis zehn Meter Ausbreitungsdistanz haben Wissenschaftler hier gemessen.
Schirmflieger wie etwa der Huflattich breiten sich weiter aus. Das stimmt zwar, allerdings wurde ermittelt, dass nur ein geringer Prozentsatz der Fallschirmchen weiter als 4 km fliegt. Außerdem gibt es Schirmflieger wie den Bocksbart, deren Samen so schwer nach unten zieht, dass immer nur Kurzstrecken überwunden werden.
Kurz und gut: Wildstauden haben Schwierigkeiten, sich auszubreiten. Das Beispiel der Arten im Magerrasen zeigt die deutlich. Das Gros hat gar keine Ausbreitungseinrichtung (60%) und bewegt sich nicht von dannen. Hierzu zählen neben Natternkopf und Königskerzen Arten wie Adonisröschen und Kronwicke, Schlüsselblumen und Karthäusernelke. Die zweitgrößte Gruppe (13%) stellen Schirmflieger wie Bergaster, Habichtskraut und Bocksbart. Daneben existieren primitive Anhängselflieger (Küchenschelle), Ballonflieger (Gelbklee) und Flügelflieger (Klappertopf). Im Fell haftende Arten wie der Odermennig machen den weitaus geringeren Teil aus (unter 1%).
Doch wie weit kommen sie dann in der Praxis?
Untersuchungen haben ergeben, dass 70% der Magerrasenbewohner Nahausbreiter sind, das heißt, dass sie nicht weiter als maximal 10 m wandern. Weitere 20% bewegen sich bis zu einer Entfernung von 100 m. Sie heißen Distanzsausbreiter Und nur 10% aller Samen können als Fernausbreiter mehr als 100 m zurücklegen. Sie können, sie müssen aber nicht. Schon ungünstige Witterung am Flugtag macht alle Anstrengung zunichte. Da kommt der Bocksbart so weit wie der Huflattich oder das Habichtskraut: nämlich keinen Meter.
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